Sachverhalt:
Eingangs wird auf die Verwaltungsvorlagen PASSA/BV/011/2017 und PASSA/BV/029/2018 verwiesen.
Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte
mit seinem Urteil vom 20.01.2015 (Az. 1 KN 7/13) die Teilfortschreibung des Regionalplanes
(REP) für den Planungsraum III (jetzt Planungsraum II) für unwirksam erklärt.
Das Gericht hat darüber hinaus inzident die Bestimmungen des Kapitels für die
Nutzung der Windenergie im Landesentwicklungsplan 2010 überprüft und für rechtswidrig
gehalten.
Daraufhin reagierte der
schleswig-holsteinische Gesetzgeber mit einer Änderung im Landesplanungsgesetz
(LaplaG).
Gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 1 LaplaG hat die
Landesplanungsbehörde unverzüglich eine neue Aufstellung der Regionalpläne zu
veranlassen. Dieser Verpflichtung ist sie mit Runderlass vom 23.02.2015
nachgekommen (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2015, S. 772).
In den Regionalplänen sollen zukünftig
Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG
ausgewiesen werden. Dies bedeutet, dass sich innerhalb eines Vorranggebiets die
Windenergienutzung gegenüber anderen konkurrierenden Nutzungen durchsetzt.
Durch Verkündung im Amtsblatt vom 27.12.2016
(Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2016, S. 1853) wurde das Planungsverfahren in
Gang gesetzt. Das Beteiligungsverfahren für den ersten Entwurf begann an diesem
Tag und endete am 30.06.2017.
Auch die Gemeinde Passade hatte zum ersten
Entwurf eine Stellungnahme abgegeben. Insoweit wird auf die Sitzung der
Gemeindevertretung PASSA/GV/01/2017
vom 14.06.2017 sowie die Verwaltungsvorlage PASSA/BV/011/2017 verwiesen.
Nach Auswertung des in der Zeit vom
27.12.2016 bis 30.06.2017 durchgeführten förmlichen Beteiligungsverfahrens zum
ersten Entwurf hat die Landesregierung am 21.08.2018 den zweiten Entwurf
gebilligt, der gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erhebliche Änderungen
aufwies, und die Einleitung einer erneuten förmlichen Beteiligung beschlossen.
Die Gemeinde Passade hatte auch zu diesem
zweiten Entwurf eine Stellungnahme abgegeben. Insoweit wird auf die Sitzung der
Gemeindevertretung PASSA/GV/04/2018 vom 13.12.2018 sowie die Verwaltungsvorlage
PASSA/BV/029/2018 verwiesen.
Nach Auswertung des in der Zeit vom
04.09.2018 bis zum 03.01.2019 durchgeführten förmlichen Beteiligungsverfahrens
zum zweiten Entwurf der Teilfortschreibung hat die Landesregierung am
17.12.2019 den dritten Entwurf gebilligt und erneut die Einleitung eines
förmlichen Beteiligungsverfahrens zu diesem dritten Entwurf beschlossen.
Im Rahmen dieses weiteren förmlichen
Beteiligungsverfahrens erhalten die Öffentlichkeit und die in ihren Belangen
berührten öffentlichen Stellen (Beteiligte) nochmals gemäß § 5 Abs. 5 LaplaG
und § 9 Abs. 2 ROG frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Beteiligungsverfahren zu dem dritten Entwurf
begann aufgrund der Verkündung der Landesplanungsbehörde vom 17.12.2019 für die
Beteiligten und die Öffentlichkeit gemäß § 5 Abs. 5 und 8 LaplaG am 13.01.2020
und wird am 13.03.2020 enden (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2019, S. 58).
Während dieser Frist können Äußerungen in
schriftlicher oder elektronischer Form abgegeben werden. Nicht fristgerecht
abgegebene Stellungnahmen können unberücksichtigt bleiben.
Die Planungsunterlagen für den dritten Entwurf
wurden durch die Landesplanungsbehörde am 17.12.2019 im Internet unter der
Adresse www.schleswig-holstein.de/windenergiebeteiligung bereitgestellt.
Das Beteiligungsverfahren zu dem dritten Entwurf
wird als internetgestütztes Online-Beteiligungsverfahren in der Zeit vom 13.01.2020
bis 13.03.2020 durchgeführt. Es ist ausdrücklich erwünscht, für Stellungnahmen
das zur Verfügung stehende Online-Beteiligungsportal zu nutzen.
Die Öffentlichkeit sowie die in ihren
Belangen berührten öffentlichen Stellen sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ROG von
der Aufstellung des Raumordnungsplans zu unterrichten; ihnen ist Gelegenheit
zur Stellungnahme zum Entwurf des Raumordnungsplans und seiner Begründung zu
geben.
Die Gemeinden sind Träger öffentlicher Belange im Sinne dieser Vorschrift. Sie haben daher Gelegenheit, (auch) zu dem dritten Entwurf Stellung zu nehmen. Die Gemeindevertretung hatte in ihrer Sitzung PASSA/GV/04/2019 vom 19.12.2019 zu TOP 11 den folgenden Beschluss gefasst:
„Die Gemeindevertretung beschließt, eine Arbeitsgruppe für die Ausarbeitung der Stellungnahme zum Thema ‚Windkraft‘ zu errichten.“
Um den gemeindlichen Belangen im
Raumordnungsverfahren angemessen Geltung zu verschaffen, ist die in der
Vergangenheit geübte Praxis, nach der die Gemeinden sich entweder für oder
gegen „die Windkraft“ aussprachen oder selbst Potenzialflächen suchten und benannten,
obsolet geworden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass nach der Rechtsprechung
des OVG gemeindliche Erwägungen nur dann
Berücksichtigung finden können, wenn sie raumordnungsrechtlich bedeutsam sind
und von der Landesplanungsbehörde sachgerecht abgewogen wurden.
Das laufende Raumordnungsverfahren hat das
Ziel, Vorranggebiete im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG auszuweisen. Vor
diesem Hintergrund muss jede gemeindliche Stellungnahme ausschließlich
raumordnungsrechtlich relevante Argumente in den Blick nehmen. Diesen
Anforderungen ist die Gemeinde Passade mit ihrer Stellungnahme zum zweiten
Entwurf mehr als gerecht geworden.
Dennoch hat die Landesplanungsbehörde die
gemeindlichen Argumente im Rahmen der Abwägung wie folgt verworfen:
„Der
Stellungnahme wird nicht gefolgt.
Nach
erneuter Prüfung des Tabukriteriums "Seeadlerdichtezentrum" kommt die
oberste Naturschutzbehörde des Landes auf der Basis vorliegender Erkenntnisse
abschließend zu dem Schluss, dass das Seeadlerdichtezentrum im Kontext der
Windkraftplanung ein bedeutendes Kriterium ist, um die Seeadlerpopulation in
Schleswig-Holstein trotz weiteren Ausbaus der Windenergie zu schützen. Die
fachliche Prüfung ergab darüber hinaus, dass das Kriterium räumlich korrekt und
nachvollziehbar abgegrenzt ist. Eine Änderung erfolgt insofern nicht.
Das
Vorranggebiet PR2_PLO_002 liegt nach aktuellem Kenntnisstand teilweise im
potenziellen Beeinträchtigungsbereich um einen Seeadlerhorst. Die
Ausnahmeregelung trifft hier zu. Es wird auf die Abwägungsentscheidung im
entsprechenden Datenblatt sowie die Ausführungen im Plankonzept und im
Regionalplan verwiesen.
Schleswig-Holstein
hat eine herausragende Bedeutung für den Vogelzug in Europa. Dabei folgt der
Vogelzug nachweisbar Landschaftsstrukturen und verdichtet sich dort. Ein Teil
des Vogelzuges erfolgt dabei im Höhenbereich der Rotoren der WKA, so dass hier
ein erhöhtes Kollisionsrisiko besteht. Die Hauptzugachsen sollen zum Schutz der
Zugvögel von WKA freigehalten werden. Das Vorranggebiet liegt nicht im Bereich
einer Hauptachse des überregionalen Vogelzuges und überschneidet sich daher
nicht mit den seit Jahrzehnten bekannten wichtigen Zugwegen. Das Kriterium ist
daher für die Fläche nicht von Relevanz.
Die
fachlichen Erkenntnisse für die Abgrenzung der bedeutsamen Nahrungsgebiete für
Gänse (ohne Graugänse und Neozoen) und Schwäne (Zwerg- und Singschwäne), (vgl.
hierzu Ausführungen im Plankonzept) beruhen auf jahrelangen kontinuierlichen
Beobachtungen der Fachbehörden, unterstützt durch die staatliche
Vogelschutzwarte. Die Landesplanung hält auch nach erneuter Prüfung an den
Datengrundlagen fest. Das Vorranggebiet wird von diesen Kriterien nicht
berührt.
Alle
artenschutzfachlichen Belange mit Relevanz wurden im Rahmen der Abwägung
berücksichtigt. Der Kriterienkatalog spiegelt die spezifische
Schutzbedürftigkeit einzelner besonders windkraftsensibler Arten wider.
Ansonsten ist eine vertiefende Prüfung einzelner Aspekte diesbezüglich
vornehmlich auf der anlagenspezifischen Genehmigungsebene möglich. Es wird des
Weiteren auf das gesamträumliche Plankonzept verwiesen.
Hinsichtlich
der Anwendung des Siedlungsabstandes von 1.000m wird auf die
Abwägungsentscheidung im entsprechenden Datenblatt verwiesen.
Hinsichtlich
des Umgangs mit den Kriterien Tourismus und Erholung im Plankonzept zum
Sachthema Wind erfolgt die grundsätzliche Freihaltung der Schwerpunktbereiche
für Tourismus und, je nach Einzelfall, der Kernbereiche für Tourismus und
Erholung. Diese Kriterien werden sich entsprechend der Fortschreibung des
Landesentwicklungsplans – Entwurf 2018 – weiter anpassen. Eine Ausweisung als
Vorranggebiet ist hier vertretbar.
Hinsichtlich
der Siedlungsentwicklung gilt, dass bei der Ausweisung der Vorranggebiete
Windenergie verfestigte Planungen der Gemeinden als weiches Tabu beachtet und
geplante Siedlungsentwicklungen in der Abwägung berücksichtigt werden. Unter
geplanten Siedlungsentwicklungen werden laufende Bauleitplanverfahren und
informelle Planansätze gesehen. Konkrete Entwicklungsabsichten liegen seitens
der Gemeinde nicht vor. Darüber hinaus wird eine ortsangemessene und
bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung trotz des Vorranggebietes gesehen.
Der
Betrieb von WKA bei den hier vorliegenden Entfernungen zur Wohnbebauung lässt
keine Rückschlüsse auf Gesundheitsgefahren zu. Von WKA ausgehende
Infraschallpegel liegen deutlich unter der Wahrnehmungsgrenze des Menschen und
es gibt keine wissenschaftlich abgesicherten Belege für nachteilige Wirkungen
in diesem Pegelbereich. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes stehen die
derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Infraschall einer
Nutzung der Windenergie nicht entgegen.“
Im Gebiet der Gemeinde Passade wird auch im dritten
Entwurf weiterhin die Fläche PR2_PLO_002 als mögliches Vorranggebiet
ausgewiesen.
Die von der Mohr Rechtsanwälte
Partnergesellschaft mbB in Hamburg für die Gemeinde Passade erarbeitete
Stellungnahme für die Fläche PR2_PLO_002 bewertet diese Fläche nochmals und
stellt die raumordnungsrechtlich relevanten Argumente der Gemeinde dar, um
innerhalb des Verfahrens sachgerecht Stellung nehmen zu können.
Die Kosten für die Ausarbeitung der
Stellungnahme durch die Mohr Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbB werden rund
6.000,00 EUR betragen. Für die Zahlung des Honorars hat sich innerhalb der
Gemeinde eine Bürgerinitiative gebildet, die die entsprechenden Finanzmittel
durch Spenden eingesammelt hat. Diese Mittel werden durch einen Zuschuss der
Gemeinde in Höhe von 1.500,00 EUR ergänzt.
Anlagenverzeichnis:
¾ Stellungnahme der Gemeinde Passade zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes zur Windenergienutzung und zur Aufstellung der Teilregionalpläne Wind für den Planungsraum II in der Fassung des dritten Entwurfs
¾ Abwägungsentscheidung zur Stellungnahme der Gemeinde Passade mit der ID 1126 zum zweiten Entwurf (Seiten 2372 bis 2384 der synoptischen Darstellung der Landesplanungsbehörde)
¾ Datenblatt zur vorgesehenen Vorrangfläche PR2_PLO_002 in der Fassung des dritten Entwurfs
Beschlussvorschlag:
- Die Gemeinde Passade nimmt als Trägerin öffentlicher Belange im Rahmen des Verfahrens zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes zur Windenergienutzung und zur Aufstellung der Teilregionalpläne Wind für den Planungsraum II in der Fassung des dritten Entwurfs gemäß Anlage zur Verwaltungsvorlage PASSA/BV/047/2020 Stellung.
- Die Mohr Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbB wird der Landesplanungsbehörde die raumordnungsrechtliche Stellungnahme via Online-Portal übermitteln und der Amtsverwaltung zur Verfügung stellen.
- Für die Fertigung der anwaltlichen Stellungnahme nimmt die Gemeinde eine Spende in Höhe von rund 4.500,00 EUR an, die durch die Bürgerinitiative für die Zahlung des Anwaltshonorars gesammelt wurde.