Betreff
Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes zur Windenergienutzung und zur Aufstellung der Teilregionalpläne Wind für den Planungsraum II (Stellungnahme der Gemeinde zum 3. Entwurf)
Vorlage
PASSA/BV/047/2020
Aktenzeichen
III / LaplaG
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Eingangs wird auf die Verwaltungsvorlagen PASSA/BV/011/2017 und PASSA/BV/029/2018 verwiesen.

 

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte mit seinem Urteil vom 20.01.2015 (Az. 1 KN 7/13) die Teilfortschreibung des Regionalplanes (REP) für den Planungsraum III (jetzt Planungsraum II) für unwirksam erklärt. Das Gericht hat darüber hinaus inzident die Bestimmungen des Kapitels für die Nutzung der Windenergie im Landesentwicklungsplan 2010 überprüft und für rechtswidrig gehalten.

 

Daraufhin reagierte der schleswig-holsteinische Gesetzgeber mit einer Änderung im Landesplanungsgesetz (LaplaG).

 

Gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 1 LaplaG hat die Landesplanungsbehörde unverzüglich eine neue Aufstellung der Regionalpläne zu veranlassen. Dieser Verpflichtung ist sie mit Runderlass vom 23.02.2015 nachgekommen (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2015, S. 772).

 

In den Regionalplänen sollen zukünftig Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG ausgewiesen werden. Dies bedeutet, dass sich innerhalb eines Vorranggebiets die Windenergienutzung gegenüber anderen konkurrierenden Nutzungen durchsetzt.

 

Durch Verkündung im Amtsblatt vom 27.12.2016 (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2016, S. 1853) wurde das Planungsverfahren in Gang gesetzt. Das Beteiligungsverfahren für den ersten Entwurf begann an diesem Tag und endete am 30.06.2017.

 

Auch die Gemeinde Passade hatte zum ersten Entwurf eine Stellungnahme abgegeben. Insoweit wird auf die Sitzung der Gemeindevertretung PASSA/GV/01/2017 vom 14.06.2017 sowie die Verwaltungsvorlage PASSA/BV/011/2017 verwiesen.

 

Nach Auswertung des in der Zeit vom 27.12.2016 bis 30.06.2017 durchgeführten förmlichen Beteiligungsverfahrens zum ersten Entwurf hat die Landesregierung am 21.08.2018 den zweiten Entwurf gebilligt, der gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erhebliche Änderungen aufwies, und die Einleitung einer erneuten förmlichen Beteiligung beschlossen.

 

Die Gemeinde Passade hatte auch zu diesem zweiten Entwurf eine Stellungnahme abgegeben. Insoweit wird auf die Sitzung der Gemeindevertretung PASSA/GV/04/2018 vom 13.12.2018 sowie die Verwaltungsvorlage PASSA/BV/029/2018 verwiesen.

 

Nach Auswertung des in der Zeit vom 04.09.2018 bis zum 03.01.2019 durchgeführten förmlichen Beteiligungsverfahrens zum zweiten Entwurf der Teilfortschreibung hat die Landesregierung am 17.12.2019 den dritten Entwurf gebilligt und erneut die Einleitung eines förmlichen Beteiligungsverfahrens zu diesem dritten Entwurf beschlossen.

 

Im Rahmen dieses weiteren förmlichen Beteiligungsverfahrens erhalten die Öffentlichkeit und die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen (Beteiligte) nochmals gemäß § 5 Abs. 5 LaplaG und § 9 Abs. 2 ROG frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

Das Beteiligungsverfahren zu dem dritten Entwurf begann aufgrund der Verkündung der Landesplanungsbehörde vom 17.12.2019 für die Beteiligten und die Öffentlichkeit gemäß § 5 Abs. 5 und 8 LaplaG am 13.01.2020 und wird am 13.03.2020 enden (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2019, S. 58).

 

Während dieser Frist können Äußerungen in schriftlicher oder elektronischer Form abgegeben werden. Nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen können unberücksichtigt bleiben.

 

Die Planungsunterlagen für den dritten Entwurf wurden durch die Landesplanungsbehörde am 17.12.2019 im Internet unter der Adresse www.schleswig-holstein.de/windenergiebeteiligung bereitgestellt.

 

Das Beteiligungsverfahren zu dem dritten Entwurf wird als internetgestütztes Online-Beteiligungsverfahren in der Zeit vom 13.01.2020 bis 13.03.2020 durchgeführt. Es ist ausdrücklich erwünscht, für Stellungnahmen das zur Verfügung stehende Online-Beteiligungsportal zu nutzen.

 

Die Öffentlichkeit sowie die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ROG von der Aufstellung des Raumordnungsplans zu unterrichten; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf des Raumordnungsplans und seiner Begründung zu geben.

 

Die Gemeinden sind Träger öffentlicher Belange im Sinne dieser Vorschrift. Sie haben daher Gelegenheit, (auch) zu dem dritten Entwurf Stellung zu nehmen. Die Gemeindevertretung hatte in ihrer Sitzung PASSA/GV/04/2019 vom 19.12.2019 zu TOP 11 den folgenden Beschluss gefasst:

 

„Die Gemeindevertretung beschließt, eine Arbeitsgruppe für die Ausarbeitung der Stellungnahme zum Thema ‚Windkraft‘ zu errichten.“

 

Um den gemeindlichen Belangen im Raumordnungsverfahren angemessen Geltung zu verschaffen, ist die in der Vergangenheit geübte Praxis, nach der die Gemeinden sich entweder für oder gegen „die Windkraft“ aussprachen oder selbst Potenzialflächen suchten und benannten, obsolet geworden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass nach der Rechtsprechung des OVG gemeindliche Erwägungen nur dann Berücksichtigung finden können, wenn sie raumordnungsrechtlich bedeutsam sind und von der Landesplanungsbehörde sachgerecht abgewogen wurden.

 

Das laufende Raumordnungsverfahren hat das Ziel, Vorranggebiete im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG auszuweisen. Vor diesem Hintergrund muss jede gemeindliche Stellungnahme ausschließlich raumordnungsrechtlich relevante Argumente in den Blick nehmen. Diesen Anforderungen ist die Gemeinde Passade mit ihrer Stellungnahme zum zweiten Entwurf mehr als gerecht geworden.

 

Dennoch hat die Landesplanungsbehörde die gemeindlichen Argumente im Rahmen der Abwägung wie folgt verworfen:

 

„Der Stellungnahme wird nicht gefolgt.

 

Nach erneuter Prüfung des Tabukriteriums "Seeadlerdichtezentrum" kommt die oberste Naturschutzbehörde des Landes auf der Basis vorliegender Erkenntnisse abschließend zu dem Schluss, dass das Seeadlerdichtezentrum im Kontext der Windkraftplanung ein bedeutendes Kriterium ist, um die Seeadlerpopulation in Schleswig-Holstein trotz weiteren Ausbaus der Windenergie zu schützen. Die fachliche Prüfung ergab darüber hinaus, dass das Kriterium räumlich korrekt und nachvollziehbar abgegrenzt ist. Eine Änderung erfolgt insofern nicht.

 

Das Vorranggebiet PR2_PLO_002 liegt nach aktuellem Kenntnisstand teilweise im potenziellen Beeinträchtigungsbereich um einen Seeadlerhorst. Die Ausnahmeregelung trifft hier zu. Es wird auf die Abwägungsentscheidung im entsprechenden Datenblatt sowie die Ausführungen im Plankonzept und im Regionalplan verwiesen.

 

Schleswig-Holstein hat eine herausragende Bedeutung für den Vogelzug in Europa. Dabei folgt der Vogelzug nachweisbar Landschaftsstrukturen und verdichtet sich dort. Ein Teil des Vogelzuges erfolgt dabei im Höhenbereich der Rotoren der WKA, so dass hier ein erhöhtes Kollisionsrisiko besteht. Die Hauptzugachsen sollen zum Schutz der Zugvögel von WKA freigehalten werden. Das Vorranggebiet liegt nicht im Bereich einer Hauptachse des überregionalen Vogelzuges und überschneidet sich daher nicht mit den seit Jahrzehnten bekannten wichtigen Zugwegen. Das Kriterium ist daher für die Fläche nicht von Relevanz.

 

Die fachlichen Erkenntnisse für die Abgrenzung der bedeutsamen Nahrungsgebiete für Gänse (ohne Graugänse und Neozoen) und Schwäne (Zwerg- und Singschwäne), (vgl. hierzu Ausführungen im Plankonzept) beruhen auf jahrelangen kontinuierlichen Beobachtungen der Fachbehörden, unterstützt durch die staatliche Vogelschutzwarte. Die Landesplanung hält auch nach erneuter Prüfung an den Datengrundlagen fest. Das Vorranggebiet wird von diesen Kriterien nicht berührt.

 

Alle artenschutzfachlichen Belange mit Relevanz wurden im Rahmen der Abwägung berücksichtigt. Der Kriterienkatalog spiegelt die spezifische Schutzbedürftigkeit einzelner besonders windkraftsensibler Arten wider. Ansonsten ist eine vertiefende Prüfung einzelner Aspekte diesbezüglich vornehmlich auf der anlagenspezifischen Genehmigungsebene möglich. Es wird des Weiteren auf das gesamträumliche Plankonzept verwiesen.

 

Hinsichtlich der Anwendung des Siedlungsabstandes von 1.000m wird auf die Abwägungsentscheidung im entsprechenden Datenblatt verwiesen.

 

Hinsichtlich des Umgangs mit den Kriterien Tourismus und Erholung im Plankonzept zum Sachthema Wind erfolgt die grundsätzliche Freihaltung der Schwerpunktbereiche für Tourismus und, je nach Einzelfall, der Kernbereiche für Tourismus und Erholung. Diese Kriterien werden sich entsprechend der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans – Entwurf 2018 – weiter anpassen. Eine Ausweisung als Vorranggebiet ist hier vertretbar.

 

Hinsichtlich der Siedlungsentwicklung gilt, dass bei der Ausweisung der Vorranggebiete Windenergie verfestigte Planungen der Gemeinden als weiches Tabu beachtet und geplante Siedlungsentwicklungen in der Abwägung berücksichtigt werden. Unter geplanten Siedlungsentwicklungen werden laufende Bauleitplanverfahren und informelle Planansätze gesehen. Konkrete Entwicklungsabsichten liegen seitens der Gemeinde nicht vor. Darüber hinaus wird eine ortsangemessene und bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung trotz des Vorranggebietes gesehen.

 

Der Betrieb von WKA bei den hier vorliegenden Entfernungen zur Wohnbebauung lässt keine Rückschlüsse auf Gesundheitsgefahren zu. Von WKA ausgehende Infraschallpegel liegen deutlich unter der Wahrnehmungsgrenze des Menschen und es gibt keine wissenschaftlich abgesicherten Belege für nachteilige Wirkungen in diesem Pegelbereich. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes stehen die derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Infraschall einer Nutzung der Windenergie nicht entgegen.“

 

Im Gebiet der Gemeinde Passade wird auch im dritten Entwurf weiterhin die Fläche PR2_PLO_002 als mögliches Vorranggebiet ausgewiesen.

 

Die von der Mohr Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbB in Hamburg für die Gemeinde Passade erarbeitete Stellungnahme für die Fläche PR2_PLO_002 bewertet diese Fläche nochmals und stellt die raumordnungsrechtlich relevanten Argumente der Gemeinde dar, um innerhalb des Verfahrens sachgerecht Stellung nehmen zu können.

 

Die Kosten für die Ausarbeitung der Stellungnahme durch die Mohr Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbB werden rund 6.000,00 EUR betragen. Für die Zahlung des Honorars hat sich innerhalb der Gemeinde eine Bürgerinitiative gebildet, die die entsprechenden Finanzmittel durch Spenden eingesammelt hat. Diese Mittel werden durch einen Zuschuss der Gemeinde in Höhe von 1.500,00 EUR ergänzt.


Anlagenverzeichnis:

 

¾     Stellungnahme der Gemeinde Passade zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes zur Windenergienutzung und zur Aufstellung der Teilregionalpläne Wind für den Planungsraum II in der Fassung des dritten Entwurfs

 

¾     Abwägungsentscheidung zur Stellungnahme der Gemeinde Passade mit der ID 1126 zum zweiten Entwurf (Seiten 2372 bis 2384 der synoptischen Darstellung der Landesplanungsbehörde)

 

¾     Datenblatt zur vorgesehenen Vorrangfläche PR2_PLO_002 in der Fassung des dritten Entwurfs


Beschlussvorschlag:

 

  1. Die Gemeinde Passade nimmt als Trägerin öffentlicher Belange im Rahmen des Verfahrens zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes zur Windenergienutzung und zur Aufstellung der Teilregionalpläne Wind für den Planungsraum II in der Fassung des dritten Entwurfs gemäß Anlage zur Verwaltungsvorlage PASSA/BV/047/2020 Stellung.

 

  1. Die Mohr Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbB wird der Landesplanungsbehörde die raumordnungsrechtliche Stellungnahme via Online-Portal übermitteln und der Amtsverwaltung zur Verfügung stellen.

 

  1. Für die Fertigung der anwaltlichen Stellungnahme nimmt die Gemeinde eine Spende in Höhe von rund 4.500,00 EUR an, die durch die Bürgerinitiative für die Zahlung des Anwaltshonorars gesammelt wurde.