Beschluss:

„Resolution

In Schleswig-Holstein sind für mindestens 20% der Landesfläche Erlaubnisse und Bewilligungen zur Aufsuchung bzw. Förderung von Kohlenwasserstoffen beantragt und teilweise erteilt worden, weitere könnten folgen. Diese bergrechtlichen Genehmigungen erfolgten ohne Beteiligung der betroffenen Kommunen, obwohl die Gemeinden zu den Behörden gehören, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 BBergG gehört und denen deshalb gemäß § 15 BBergG vor der Entschei­dung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist (BVerwG, 15.10.1998, 4 B 94/98). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Ergebnis der Sachentscheidung dem materiellen Recht nicht entspricht, insbesondere, wenn wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren eigenen Planung entzogen oder gemeindliche Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.12.1988 – BVerwG 4 C 40.86 – BVerwGE 81, 95 (BVerwG 16.12.1988 – 4 C 40/86), vom 15.12.1989 – BVerwG 4 C 36.86 – BVerwGE 84, 209 und vom 27.03.1992 – BVerwG 7 C 18.91 – BVerwGE 90, 96). Hierbei genießt die gemeindliche Planungshoheit den Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Für die Notwendigkeit der Beteiligung der Gemeinden gelten die Vorschriften des VwVfG. § 54 Abs. 2 BBergG regelt speziell eine Beteiligungspflicht der Gemeinden, wenn deren Aufgabenbereich berührt ist. Die Beteiligungsschwelle ist sehr niedrig anzusetzen, und es steht der Bergbehörde nicht zu, eine Bewertung der Betroffenheit der Gemeinden vorzunehmen. Die Gesamtheit der betroffenen Gemeinden eines beantragten Gebiets (es reichen ca. 80% nach geltender Rechtslage), kann sich dabei zu einer Interessengemeinschaft zusammenschließen und muss angehört werden.

Im Kreis Plön erfolgten vom November 2009 bis März 2010 seismische Untersuchungen der Firma RWE DEA AG, für die ohne Beteiligung der betroffenen Kommunen ein Betriebsplanverfahren erfolgte.

Die Erlaubnisverfahren bzw. die Erteilung der Erlaubnisse haben über § 12 Abs. 2 BBergG eine zumindest indirekte Bindungswirkung für bergrechtliche Bewilligungen. Die Bewilligung darf danach u.a. nur dann versagt werden, wenn die Tatsachen, die die Versagung rechtfertigen, erst nach der Erteilung der Erlaubnis eingetreten ist. Es dürfen somit keine Tatsachen mehr berücksichtigt (oder von den ggf. erst bei der Bewilligung beteiligten Gemeinden vorgebrachten) werden, die in ihren Konturen bei der Entscheidung über die Erlaubnis bereits erkennbar waren oder bei entsprechender Nachforschung hätten erkennbar sein müssen (siehe hierzu Boldt/Weller zu §12 BBergG Rz. 9). Eine erteilte Erlaubnis unterliegt dem Schutz des Art. 14 GG. Deshalb wäre eine Anhörung erst nach Erlaubniserteilung für Einwendungen der Gemeinden in der Regel obsolet.

Die in Schleswig-Holstein erteilten Erlaubnisse und Genehmigungen erfolgten nach derzeitigem Kenntnisstand rechtswidrig. Es widerspricht den Zielen des BBergG, eine Erlaubnis zu erteilen, wenn wesentliche Teile des vom Antragsteller zu vertretenden Arbeitsprogramms nicht zulassungsfähig sind und dadurch die Aufsuchung nicht begonnen, nicht fortgesetzt oder nicht beendet werden kann. Somit bestand ein zwingender Versagensgrund des § 11 Nr. 3 BBergG.

Zu den konträr zum Bergbauvorhaben stehenden öffentlichen Interessen gehören laut BVerwG, 15.10.1998, Az.: 4 B 94/98 beispielsweise die Erfordernisse:

- des Naturschutzes und der Landschaftspflege,

- der Raumordnung und

- des Gewässerschutzes. 

Durch die in Schleswig-Holstein geplanten Aufsuchungen und Förderungen von Kohlenwasserstoffen, auch in dem nur durch Fracking erschließbaren Posidonienschiefer und von Sandsteinschichten mit geringer Durchlässigkeit, sind durchgängig erhebliche negative Einwirkungen auf Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu erwarten. Ein sicherer störungsfreier Betrieb derartiger Anlagen ist derzeit nicht möglich, wie die zahlreichen Schadensereignisse im Zusammenhang mit der Kohlenwasserstoffförderung in den USA, aber auch in Deutschland zeigen. Bei Anwendung der Fracking-Technik wäre zudem ein engmaschiges Netz an Bohrstationen nötig, die zu mehreren Anlagen je Quadratkilometer mit jeweils ca. einem Hektar asphaltierter/betonierter Fläche nebst Zufahrten notwendig machen würde. Dies würde einen unzulässigen Eingriff in die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bedeuten und führt zwangsläufig zu einem Versagensgrund.

Für die bei einer Förderung von Kohlenwasserstoffen großen anfallenden Mengen an Formationswasser gibt es bis heute keine wirtschaftliche Möglichkeit der Wiederauf­bereitung. Da eine Verpressung von derart großen Mengen an Formationswasser nicht zugelassen werden darf, wäre von vornherein ersichtlich, dass eine ordnungsgemäße, wirtschaftliche Förderung nicht möglich ist. Auch das ist ein zwingender Versagensgrund.

Derzeit erfolgt für die gesamte Landesfläche Schleswig-Holsteins ein Raumord­nungsverfahren. Vor Abschluss dieses Verfahrens sind bergrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen nicht zulässig, da sie die geplante Raumordnung einschränken können. Für den für die Aufsuchung und Förderung von Kohlenwasserstoffen notwendigen Lkw-Verkehr sind insbesondere auch die Kommunen planungsberechtigt, so dass deren Planungshoheit betroffen ist, ohne berücksichtigt worden zu sein.

Bei seismischen Untersuchungen, Fracking und der Gasförderung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Erdbeben erzeugt, die im Norden Niedersachsens bereits die Stärke von 4,5 auf der Richterskala erreicht haben und auch noch in rund 100 km Entfernung Gebäudeschäden verursacht haben. Weder die Wasserversorgungsleitungen, Abwasser- und Regenwasserkanäle, historische Bausubstanz noch die Deichanlagen sind für Erdbeben der Stärke 4,5 auf der Richterskala ausgelegt. Da sich mehrere derartige Bauwerke flächendeckend in kurzer Entfernung zu allen Erlaubnis- und Bewilligungsfeldern Schleswig-Holsteins befinden, stehen in jedem beantragten Feld für die gesamte Fläche überwiegende öffentliche Interessen einer Erlaubnis entgegen.

§ 12 WHG regelt die materiellen Zulassungsvoraussetzungen für die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis. Nach Abs. 1 ist die Erlaubnis zwingend zu versagen, wenn schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten sind. Die Behörde hat in diesem Fall kein Ermessen. Gefordert ist eine vorsichtige Prognose. Wenn nach menschlicher Erfahrung und nach dem Stand der Technik nicht von der Hand zu weisen ist, dass es zu einem Schadenseintritt kommen könnte, muss die wasserrechtliche Erlaubnis versagt werden. Das gilt auch für die unechte Gewässerbenutzung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG. Für die wasserrechtliche Bewertung von Vorhaben jeglicher Art gilt der Amtsermitt­lungsgrundsatz, der eine Behördenbeteiligung nahe legt. Zu den zu beteiligenden Behörden gehören auch die Kommunen, da zumindest die Möglichkeit der Berührung ihrer Planungshoheit gegeben ist. In Schleswig-Holstein beziehen die meisten Kommunen ihr Wasser aus eigenen Wasserwerken, die meist innerhalb oder am Rand der Gemeinden liegen. Hinzu kommen zahlreiche Brunnenanlagen für Privathaushalte, Gewerbe und Landwirtschaft. Hier gilt der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz uneingeschränkt, und zwar nicht nur im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren, sondern auch im bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahren.

Die Wasserbehörde muss nach Form und Inhalt uneingeschränkt mit der von der Berg­behörde in Aussicht genommenen Entscheidung einverstanden sein, was voraussetzt, dass ihr die Unterlagen so vollständig vorliegen müssen, dass ihr eine ordnungsgemäße eigene Prüfung möglich ist.

Alle derzeit vorliegenden Gutachten in Deutschland fordern ein Fracking-Moratorium für die kommerzielle Erdöl- und Erdgasgewinnung, bis grundlegende Sicherheitsbedenken ausgeräumt wurden.

 Die Landesregierung wird aufgefordert:

  1. Die betroffenen Kommunen und Kreise bereits vor der Erteilung von bergrechtlichen Genehmigungen zu beteiligen.
  2. Die Wasserbehörde anzuweisen, den wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz uneingeschränkt zu beachten. Der Wasserschutz muss höchste Priorität behalten.
  3. Die Möglichkeiten des Abfallrechtes und des Bodenschutzes bei bergrechtlichen Genehmigungen vollumfänglich auszuschöpfen, um Umweltgefährdungen zu vermeiden.
  4. Für entstehende Schäden als Auflage eine Beweislastumkehr vorzusehen. Daher sind vor der Betriebsplangenehmigung alle gefährdeten Gebäude, Trinkwasser-, Abwasser- und Regenwasserleitungen sowie sonstige gefährdete Bauwerke in ihrem derzeitigen Zustand zu dokumentieren. Nach seismischen Ereignissen gilt das gleiche für nicht einsehbare Bauwerke. Die Kosten trägt der Antragsteller / Rechteinhaber.
  5. Bei zukünftigen bergrechtlichen Genehmigungen eine ausreichende Sicherheitsleistung von den Antragstellern zu fordern (§ 56 Abs. 2 BBergG). Als ausreichend wird z.B. eine Bankgarantie oder Versicherung angesehen, die sowohl mögliche Schäden an der Infrastruktur, wegfallende Steuereinnahmen und Gebühren sowie die Wiederherstellung beschädigter Gebäude, Gewässer und Landschaften vollständig ersetzen kann.
  6. Für alle Antragsteller bergrechtlicher Genehmigungsverfahren eine Wirtschaft­lichkeitsprüfung durchführen zu lassen und solchen Antragstellern jedwede Genehmigung zu verweigern oder zu entziehen, die weder über ausreichendes Eigenkapital verfügen, um etwaige Schäden beseitigen zu können, noch eine ausreichende Sicherheitsleistung erbracht haben.
  7. Fracking in jeder Form so lange zu verbieten, bis ein wissenschaftlicher und technischer Stand erreicht ist, der Gefahren durch diese Technik sicher ausschließen kann.
  8. Antragstellern jedwede Genehmigung zu verweigern oder wieder zu entziehen, die in den letzten drei Jahren für Unfälle bei Tiefenbohrungen, undichte Bohrlöcher, auslaufendes Flow-back oder Formationswasser verantwortlich sind. Hier ist die notwendige Zuverlässigkeit und Fachkunde offensichtlich nicht gegeben (§ 11 Abs. 6 BBergG). Ebenso ist die Zuverlässigkeit zukünftig eventuell beauftragter Subun­ter­nehmer sicher zu stellen.
  9. Für jede Bergbautätigkeit in Schleswig-Holstein über den gesamten Zeitraum und eine angemessene Nachbeobachtungszeit eine umfassende, unabhängige, wissenschaftliche Überwachung anzuordnen (§ 66 Abs. 5 BBergG).
  10. Keine Genehmigungen für das Verpressen von Flow-back und Formationswasser in den Untergrund zu erteilen. Bereits erteilte Genehmigungen sind, soweit zulässig, zu widerrufen. Keinesfalls dürfen derartige Genehmigungen verlängert oder erweitert werden.
  11. Die zuständigen Behörden für bergrechtliche Zuständigkeiten rechtlich einwandfrei festzulegen. Nachdem das MELUR auch für Bergrecht zuständig ist, soll das LLUR zuständiges Bergamt werden, um eine Überwachung der Bergbautätigkeiten in Schleswig-Holstein zu ermöglichen. Hierfür ist es entsprechend auszustatten.
  12. Auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass das Wasser- und Bergrecht aufeinander abgestimmt werden und das Bergrecht modernisiert wird.

Die Gemeinde Brodersdorf nimmt die Landesregierung für alle Schäden im Zusammen­hang mit bergrechtlichen Genehmigungen in Haftung, wenn die Gemeinde nicht im vollen Umfang nach Recht und Gesetz im Vorwege beteiligt wurde oder Genehmigungen unter Verstoß gegen geltendes Recht erteilt wurden.

Die Bürgermeisterin der Gemeinde Brodersdorf wird ermächtigt, diese Interessen der Gemeinde Brodersdorf gegenüber der Landesregierung zu vertreten.“


Stimmberechtigte:

9

Ja-Stimmen: 9

Nein-Stimmen: 0

Enthaltungen: 0

Befangen: 0