Sitzung: 13.03.2014 Gemeindevertretung
Beschluss:
„Resolution
In Schleswig-Holstein sind für mindestens 20% der
Landesfläche Erlaubnisse und Bewilligungen zur Aufsuchung bzw. Förderung von
Kohlenwasserstoffen beantragt und teilweise erteilt worden, weitere könnten
folgen. Diese bergrechtlichen Genehmigungen erfolgten ohne Beteiligung der
betroffenen Kommunen, obwohl die Gemeinden zu den Behörden gehören, zu deren
Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10
BBergG gehört und denen deshalb gemäß § 15 BBergG vor der
Entscheidung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben ist (BVerwG, 15.10.1998, 4 B 94/98). Dies gilt
insbesondere dann, wenn das Ergebnis der Sachentscheidung dem materiellen Recht
nicht entspricht, insbesondere, wenn wesentliche Teile des Gemeindegebiets
einer durchsetzbaren eigenen Planung entzogen oder gemeindliche Einrichtungen
erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.12.1988 – BVerwG 4
C 40.86 – BVerwGE 81, 95 (BVerwG 16.12.1988 – 4 C 40/86), vom 15.12.1989 –
BVerwG 4 C 36.86 – BVerwGE 84, 209 und vom 27.03.1992 – BVerwG 7 C 18.91 –
BVerwGE 90, 96). Hierbei genießt die gemeindliche Planungshoheit den Schutz des
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Für die Notwendigkeit der Beteiligung der Gemeinden
gelten die Vorschriften des VwVfG. § 54 Abs. 2 BBergG regelt speziell eine
Beteiligungspflicht der Gemeinden, wenn deren Aufgabenbereich berührt
ist. Die Beteiligungsschwelle ist sehr niedrig anzusetzen, und es steht der Bergbehörde
nicht zu, eine Bewertung der Betroffenheit der Gemeinden vorzunehmen. Die
Gesamtheit der betroffenen Gemeinden eines beantragten Gebiets (es reichen ca.
80% nach geltender Rechtslage), kann sich dabei zu einer Interessengemeinschaft
zusammenschließen und muss angehört werden.
Im Kreis Plön erfolgten vom November 2009 bis März
2010 seismische Untersuchungen der Firma RWE DEA AG, für die ohne Beteiligung
der betroffenen Kommunen ein Betriebsplanverfahren erfolgte.
Die Erlaubnisverfahren bzw. die Erteilung der
Erlaubnisse haben über § 12 Abs. 2 BBergG eine zumindest indirekte
Bindungswirkung für bergrechtliche Bewilligungen. Die Bewilligung darf danach
u.a. nur dann versagt werden, wenn die Tatsachen, die die Versagung
rechtfertigen, erst nach der Erteilung der Erlaubnis eingetreten
ist. Es dürfen somit keine Tatsachen mehr berücksichtigt (oder von den ggf.
erst bei der Bewilligung beteiligten Gemeinden vorgebrachten) werden, die in
ihren Konturen bei der Entscheidung über die Erlaubnis bereits erkennbar waren
oder bei entsprechender Nachforschung hätten erkennbar sein müssen (siehe
hierzu Boldt/Weller zu §12 BBergG Rz. 9). Eine erteilte Erlaubnis unterliegt
dem Schutz des Art. 14 GG. Deshalb wäre eine Anhörung erst nach
Erlaubniserteilung für Einwendungen der Gemeinden in der Regel obsolet.
Die in Schleswig-Holstein erteilten Erlaubnisse und
Genehmigungen erfolgten nach derzeitigem Kenntnisstand rechtswidrig. Es
widerspricht den Zielen des BBergG, eine Erlaubnis zu erteilen, wenn
wesentliche Teile des vom Antragsteller zu vertretenden Arbeitsprogramms nicht
zulassungsfähig sind und dadurch die Aufsuchung nicht begonnen, nicht
fortgesetzt oder nicht beendet werden kann. Somit bestand ein zwingender
Versagensgrund des § 11 Nr. 3 BBergG.
Zu den konträr zum Bergbauvorhaben stehenden
öffentlichen Interessen gehören laut BVerwG, 15.10.1998, Az.: 4 B 94/98
beispielsweise die Erfordernisse:
- des Naturschutzes und der Landschaftspflege,
- der Raumordnung und
- des Gewässerschutzes.
Durch die in Schleswig-Holstein geplanten Aufsuchungen
und Förderungen von Kohlenwasserstoffen, auch in dem nur durch Fracking
erschließbaren Posidonienschiefer und von Sandsteinschichten mit geringer
Durchlässigkeit, sind durchgängig erhebliche negative Einwirkungen auf Belange
des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu erwarten. Ein sicherer
störungsfreier Betrieb derartiger Anlagen ist derzeit nicht möglich, wie die
zahlreichen Schadensereignisse im Zusammenhang mit der
Kohlenwasserstoffförderung in den USA, aber auch in Deutschland zeigen. Bei
Anwendung der Fracking-Technik wäre zudem ein engmaschiges Netz an
Bohrstationen nötig, die zu mehreren Anlagen je Quadratkilometer mit jeweils
ca. einem Hektar asphaltierter/betonierter Fläche nebst Zufahrten notwendig
machen würde. Dies würde einen unzulässigen Eingriff in die Belange des
Naturschutzes und der Landschaftspflege bedeuten und führt zwangsläufig zu
einem Versagensgrund.
Für die bei einer Förderung von Kohlenwasserstoffen
großen anfallenden Mengen an Formationswasser gibt es bis heute keine
wirtschaftliche Möglichkeit der Wiederaufbereitung. Da eine Verpressung von
derart großen Mengen an Formationswasser nicht zugelassen werden darf, wäre von
vornherein ersichtlich, dass eine ordnungsgemäße, wirtschaftliche Förderung
nicht möglich ist. Auch das ist ein zwingender Versagensgrund.
Derzeit erfolgt für die gesamte Landesfläche
Schleswig-Holsteins ein Raumordnungsverfahren. Vor Abschluss dieses Verfahrens
sind bergrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen nicht zulässig, da sie die
geplante Raumordnung einschränken können. Für den für die Aufsuchung und
Förderung von Kohlenwasserstoffen notwendigen Lkw-Verkehr sind insbesondere
auch die Kommunen planungsberechtigt, so dass deren Planungshoheit betroffen
ist, ohne berücksichtigt worden zu sein.
Bei seismischen Untersuchungen, Fracking und der
Gasförderung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Erdbeben erzeugt, die im
Norden Niedersachsens bereits die Stärke von 4,5 auf der Richterskala erreicht
haben und auch noch in rund 100 km Entfernung Gebäudeschäden verursacht haben.
Weder die Wasserversorgungsleitungen, Abwasser- und Regenwasserkanäle,
historische Bausubstanz noch die Deichanlagen sind für Erdbeben der Stärke 4,5
auf der Richterskala ausgelegt. Da sich mehrere derartige Bauwerke flächendeckend
in kurzer Entfernung zu allen Erlaubnis- und Bewilligungsfeldern
Schleswig-Holsteins befinden, stehen in jedem beantragten Feld für die gesamte
Fläche überwiegende öffentliche Interessen einer Erlaubnis entgegen.
§ 12 WHG regelt die materiellen
Zulassungsvoraussetzungen für die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis.
Nach Abs. 1 ist die Erlaubnis zwingend zu versagen, wenn schädliche
Gewässerveränderungen zu erwarten sind. Die Behörde hat in diesem Fall kein
Ermessen. Gefordert ist eine vorsichtige Prognose. Wenn nach menschlicher
Erfahrung und nach dem Stand der Technik nicht von der Hand zu weisen ist, dass
es zu einem Schadenseintritt kommen könnte, muss die wasserrechtliche Erlaubnis
versagt werden. Das gilt auch für die unechte Gewässerbenutzung nach § 9 Abs. 2
Nr. 2 WHG. Für die wasserrechtliche Bewertung von Vorhaben jeglicher Art gilt
der Amtsermittlungsgrundsatz, der eine Behördenbeteiligung nahe legt. Zu den
zu beteiligenden Behörden gehören auch die Kommunen, da zumindest die Möglichkeit
der Berührung ihrer Planungshoheit gegeben ist. In Schleswig-Holstein beziehen
die meisten Kommunen ihr Wasser aus eigenen Wasserwerken, die meist innerhalb
oder am Rand der Gemeinden liegen. Hinzu kommen zahlreiche Brunnenanlagen für
Privathaushalte, Gewerbe und Landwirtschaft. Hier gilt der wasserrechtliche
Besorgnisgrundsatz uneingeschränkt, und zwar nicht nur im wasserrechtlichen
Erlaubnisverfahren, sondern auch im bergrechtlichen
Betriebsplanzulassungsverfahren.
Die Wasserbehörde muss nach Form und Inhalt
uneingeschränkt mit der von der Bergbehörde in Aussicht genommenen
Entscheidung einverstanden sein, was voraussetzt, dass ihr die Unterlagen so
vollständig vorliegen müssen, dass ihr eine ordnungsgemäße eigene Prüfung
möglich ist.
Alle derzeit vorliegenden Gutachten in Deutschland
fordern ein Fracking-Moratorium für die kommerzielle Erdöl- und
Erdgasgewinnung, bis grundlegende Sicherheitsbedenken ausgeräumt wurden.
Die
Landesregierung wird aufgefordert:
- Die betroffenen Kommunen und Kreise bereits vor
der Erteilung von bergrechtlichen Genehmigungen zu beteiligen.
- Die Wasserbehörde anzuweisen, den
wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz uneingeschränkt zu beachten. Der
Wasserschutz muss höchste Priorität behalten.
- Die Möglichkeiten des Abfallrechtes und des
Bodenschutzes bei bergrechtlichen Genehmigungen vollumfänglich
auszuschöpfen, um Umweltgefährdungen zu vermeiden.
- Für entstehende Schäden als Auflage eine
Beweislastumkehr vorzusehen. Daher sind vor der Betriebsplangenehmigung
alle gefährdeten Gebäude, Trinkwasser-, Abwasser- und Regenwasserleitungen
sowie sonstige gefährdete Bauwerke in ihrem derzeitigen Zustand zu
dokumentieren. Nach seismischen Ereignissen gilt das gleiche für nicht
einsehbare Bauwerke. Die Kosten trägt der Antragsteller / Rechteinhaber.
- Bei zukünftigen bergrechtlichen Genehmigungen
eine ausreichende Sicherheitsleistung von den Antragstellern zu fordern (§
56 Abs. 2 BBergG). Als ausreichend wird z.B. eine Bankgarantie oder
Versicherung angesehen, die sowohl mögliche Schäden an der Infrastruktur,
wegfallende Steuereinnahmen und Gebühren sowie die Wiederherstellung
beschädigter Gebäude, Gewässer und Landschaften vollständig ersetzen kann.
- Für alle Antragsteller bergrechtlicher
Genehmigungsverfahren eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen zu
lassen und solchen Antragstellern jedwede Genehmigung zu verweigern oder
zu entziehen, die weder über ausreichendes Eigenkapital verfügen, um
etwaige Schäden beseitigen zu können, noch eine ausreichende Sicherheitsleistung
erbracht haben.
- Fracking in jeder Form so lange zu verbieten, bis
ein wissenschaftlicher und technischer Stand erreicht ist, der Gefahren
durch diese Technik sicher ausschließen kann.
- Antragstellern jedwede Genehmigung zu verweigern
oder wieder zu entziehen, die in den letzten drei Jahren für Unfälle bei
Tiefenbohrungen, undichte Bohrlöcher, auslaufendes Flow-back oder
Formationswasser verantwortlich sind. Hier ist die notwendige
Zuverlässigkeit und Fachkunde offensichtlich nicht gegeben (§ 11 Abs. 6
BBergG). Ebenso ist die Zuverlässigkeit zukünftig eventuell beauftragter
Subunternehmer sicher zu stellen.
- Für jede Bergbautätigkeit in Schleswig-Holstein
über den gesamten Zeitraum und eine angemessene Nachbeobachtungszeit eine
umfassende, unabhängige, wissenschaftliche Überwachung anzuordnen (§ 66
Abs. 5 BBergG).
- Keine Genehmigungen für das Verpressen von
Flow-back und Formationswasser in den Untergrund zu erteilen. Bereits
erteilte Genehmigungen sind, soweit zulässig, zu widerrufen. Keinesfalls
dürfen derartige Genehmigungen verlängert oder erweitert werden.
- Die zuständigen Behörden für bergrechtliche
Zuständigkeiten rechtlich einwandfrei festzulegen. Nachdem das MELUR auch
für Bergrecht zuständig ist, soll das LLUR zuständiges Bergamt werden, um
eine Überwachung der Bergbautätigkeiten in Schleswig-Holstein zu
ermöglichen. Hierfür ist es entsprechend auszustatten.
- Auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass das
Wasser- und Bergrecht aufeinander abgestimmt werden und das Bergrecht
modernisiert wird.
Die Gemeinde Brodersdorf nimmt die Landesregierung für
alle Schäden im Zusammenhang mit bergrechtlichen Genehmigungen in Haftung,
wenn die Gemeinde nicht im vollen Umfang nach Recht und Gesetz im Vorwege
beteiligt wurde oder Genehmigungen unter Verstoß gegen geltendes Recht erteilt
wurden.
Die Bürgermeisterin der Gemeinde Brodersdorf wird
ermächtigt, diese Interessen der Gemeinde Brodersdorf gegenüber der
Landesregierung zu vertreten.“
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